Die Ursprünge der Kinderzahnheilkunde als eigenständiger Zweig der Medizin gehen erstaunlicherweise bereits auf die Zeit um 1650 zurück. Das Wirken der damals arbeitenden Zahnmedizin-Pioniere legte den Grundstein für das heutige Konzept, Kinder entgegen der gerade in der Aufklärungszeit häufig vertretenen Thesen, „kleine Erwachsene“ zu sein, als Patienten in einem besonderen Entwicklungsstadium zu behandeln. Im Vordergrund der Kinderzahnheilkunde steht nämlich die Erkenntnis, dass sich Gebiss, Zahnapparat und Kieferbereich von Menschen im Säuglings- bis zum Pubertätsalter in erheblich vom Jugendlichen und Erwachsenen unterscheidenden Entwicklungsstadien befinden. Dementsprechend sind auch die Behandlungsvorgaben unterschiedlich. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Kinderzahnheilkunde stellt die in psychologischer Hinsicht anspruchsvolle Herausforderung an den behandelnden Arzt dar, Kinder in der sie anders als verständige Erwachsene häufig nicht nachvollziehbaren und daher nicht akzeptierten Situation der Zahnbehandlung zu beruhigen.
Historisch wird das Wirken des Leib-Zahnarztes von Belgier-König Leopold I., Amédée Jules Louis François, genannt Talma, (1792-1864), als eine wichtige Zäsur der modernen Kinderzahnheilkunde angesehen. Talma, der auch als der „Vater der belgischen Zahnmedizin“ bekannt geworden ist, hatte sich Mitte des 19. Jahrhunderts bahnbrechend für die Einführung von Schulzahnpflegemaßnahmen eingesetzt. Damit wurde die Aufmerksamkeit der Fachwelt in breiter Front auf die Problematik der Kinderzahnheilkunde gelenkt. Dabei setzte sich bald die Meinung durch, dass im Kindesalter die Basis gelegt wird für den Erhalt der Zähne bis ins hohe Alter.
Ergebnis von Theorie und Praxis war schließlich die Ausarbeitung von heute Grundlagen der Kinderzahnheilkunde darstellender Unterschiedskriterien zur Erwachsenzahnheilkunde. Dazu gehören unter anderem die entwicklungsbedingten Umstände, dass sich der Schädel des Kindes noch im Wachstum befindet und zunächst Milchzähne das Gebiss bilden. Die etwa im sechsten Lebensjahr nachwachsenden bleibenden Zähne brauchen etliche Jahre, um voll ausgebildet zu sein. Die Schutzanforderungen bei der Behandlung, Prophylaxe und Versorgung von Milchzähnen und Zähnen im Wachstum sind wegen der höheren Empfindlichkeit der „jungen“ Zähne erheblicher als bei Erwachsenenzähne.
Die Behandlungsbereiche der modernen Kinderzahnheilkunde gliedern sich in vier Hauptabteilungen: Präventivmaßnahmen, Karies- und Parodontal-Behandlungen, kieferorthopädische Behandlungen sowie nach Unfällen erforderliche Zahnmedizin-Behandlungen.
Zu den Präventivmaßnahmen zählen unter anderem die erfahrungsgemäß bei Kindern auf verglichen mit Erwachsenen fruchtbareren Boden fallende Vermittlung von Zahnpflegetechniken und anderen Informationen zur Gesunderhaltung des Mundhöhlenbereichs. Hier kommen Vorsorgeuntersuchungen und über Vorbeugung unterrichtende Informationsveranstaltungen, zum Beispiel in Hinsicht auf richtige Ernährung, in Schulen große Bedeutung zu. Zum Präventiv-Bereich gehören ferner die Versiegelung von Fissuren sowie die Zahn-Fluoridierung.
Eines der Haupttätigkeitsfelder der Kinderzahnmediziner stellt die Behandlung von Karies dar. Erschreckenderweise haben etwa 15 % der deutschen Kinder bereits im frühkindlichen Alter erhebliche Kariesprobleme. Typischerweise sind dann vor allem die oberen Schneidezähne betroffen. Diese auch „Nuckelflaschenkaries“ genannte, sich unbehandelt in der Regel auf das ganze Gebiss ausbreitende Zerstörung der Zähne wird nicht nur durch süße Tees, Fruchtsäfte und Limonaden ausgelöst, sondern auch durch gesüßte Medikamente und an Kinder, die älter als ein Jahr sind, abgegebene Muttermilch. Der entwicklungsbedingte wenig mineralisierte Zahnschmelz von Milchzähnen und Zähnen im Wachstum macht das Gebiss von Kindern besonders angreifbar.
Wie auch in der Besigheimer Praxis von Dr. med. dent. Mann beobachtet, kommen deutsche Kinder in der Regel erst im Alter von drei Jahren erstmals zu einer Untersuchung oder Behandlung. Praktiker wie Dr. Mann halten diesen Zeitpunkt eindeutig für zu spät und treten bei Eltern und Krankenkassen dafür ein, Kinder wesentlich früher vom Zahnarzt untersuchen zu lassen. Nicht zuletzt, um das psychologisch wichtige Vertrautverhältnis zur Zahnarztpraxis-Situation möglichst früh aufbauen zu können, plädieren Zahmnediziner für frühere Untersuchungen.